Am 6. Tag der Einführung beginnt das Wochenende, durch das Beate
und ich uns alleine wagen und die Tage sind sehr durchwachsen.
Am Vormittag wandern Beate und ich in den Ort. Dort halten
wir uns am Stand der „Aktion Mensch“ auf. Beate parkt ihren Swisstrac und ich sitze
erst ganz relaxed daneben. Dann lege ich mich hin und nur Sekunden später liege
ich schon auf der Seite und später auf dem Rücken, um mich von Beate streicheln
und kraulen zu lassen. Das gefällt mir. Das könnte ich stundenlang durchhalten.
Da stören mich auch nicht die anderen Leute oder der Krawall.
Beate findet es toll, dass uns so viele Leute anlächeln und
freundlich grüßen. Sie merkt jetzt, welch positive Wirkung ein netter Hund auf viele
Leute hat und wie leicht man ins Gespräch kommt. Das ist auch einer von vielen Gründen,
warum sie einen Hund haben wollte. Viele Leute haben ein Problem damit, auf
Rollstuhlfahrer zuzugehen. Ich helfe dabei, Kontakte zu knüpfen und es gibt
andere Themen als „Sind Sie schon lange im Rollstuhl - Wie ist das denn
passiert?“ und „Können Sie denn gar nicht mehr laufen?“
Kurz darauf wagt dann der Erste, Beate darauf anzusprechen,
welch toller Artikel am Morgen in der Badischen Zeitung steht: fast eine ganze
Seite über sie mit Foto – aha, daher weht der Wind! Da müssen Beate und ich
doch gleich mal weiter zum nächsten Kiosk, ein Exemplar der Samstag-Zeitung
kaufen und lesen, was da so geschrieben steht.
Zuhause angekommen, machen wir es uns gemütlich. Ich schlafe
erst mal eine Runde auf meinem Platz und Beate sucht den Artikel zum
internationalen Tag der Behinderten mit einem wirklich gut geschriebenen
Bericht über ihre Arbeit bei FGQ und ESCIF.
Am Nachmittag will Beate mir etwas ganz Besonderes gönnen
und wir machen uns auf den Weg über den Uferweg zum Kraftwerk. Vorher toben wir
noch im Park mit dem Frisbee und dann biegen wir auf den Waldweg ab – ganz
falsche Entscheidung, wie sich bald herausstellen soll! Beate ist guter Dinge,
immerhin hat sie Futterbeutel und Hundepfeife um den Hals. Damit sollte
eigentlich nichts schiefgehen. Schon nach einigen hundert Metern wird sie eines
besseren belehrt.
Ich darf frei laufen (libera) und stürze mich auf einen Rastplatz mit Feuerstelle, der sich mit dicken Steinen auf unwegsamen Gelände befindet, so dass sie nicht hinter mir her kommt. Nur Sekunden später habe ich den ersten Knochen gefunden und fresse fröhlich vor mich hin, beschnüffel den ganzen Platz (vielleicht gibt es ja noch mehr zu fressen – suuupiiii) Beate schaut natürlich nicht tatenlos zu, fährt extra weit weg, ruft sich die Lunge aus dem Hals, trötet wie wild in die Hundepfeife – ohne Erfolg! Ich bin ja immer lieb und helfe gerne, aber wenn ich was zu fressen finde, schalte ich auf Durchzug und kenne keine Freunde mehr!
Irgendwann ist die Fressorgie beendet, ich komme langsam angetrabt,
Beate lässt mich hinsetzen, ich muss ihr in die Augen schauen (guarda) und
Pfötchen geben (zampa). Dann komme ich an die Leine und muss auf dem tollen
Waldweg schön neben dem Rolli herlaufen (dessi). Ich weiß gar nicht, was sie hat, war doch total lecker! – Das
Laufen am Rolli ist doch keine Strafe!
Auf dem Rückweg bin ziemlich durstig von den vielen Naschereien und wild auf Wasser.
Ich will schon mehrmals starten, den steilen Abhang runter zu rennen, um in den
Rhein zu springen. Da plätschert es so toll!
Und dann gibt es plötzlich kein Halten mehr – es geht mit
mir durch! Ich renne eine Treppe runter, springe in den Rhein, stromere durch
die Büsche, fresse hier und da ein paar Leckerchen (also das, was ich dafür halte) und freue mich meines Lebens.
Oben auf dem Weg sitzt ein
verzweifeltes Frauchen im Rolli, schreit sich mal wieder heiser und die
Hundepfeife versagt auch wieder ihren Dienst. Sie weiß nämlich nicht was ich da
unten am Rhein so alles veranstalte, weil sie mich durch die Büsche nicht sehen
kann. Also da müssen wir noch kräftig dran arbeiten! Irgendwann ist alles
aufgefressen und dann komme ich mit Unschuldsmine, Dackelblick und fliegenden
Ohren wieder zurück. War richtig schön der Ausflug!
Die Nerven liegen blank und so machen wir uns zügig auf den Heimweg und
schlauer geworden, muss ich (leider) beim Rastplatz an die Leine. Nein, das war kein entspanntes
Spazierengehen, jedenfalls nicht für Frauchen!
Beate hatte noch am Mittag eine Whats App an Simone
geschrieben und davon geschwärmt, wie brav ich mich doch in der Stadt
benommen hatte! Ha! Von wegen brav!
Zurück zu Hause dann das nächste Unglück: Beate lässt mich
vor der Haustür sitz machen, was ich auch brav mache. Dann will sie den Swisstrac
abkoppeln. Sie beugt sich nach vorne, um die Halterung zu lösen, der Swisstrac
fährt vor, die Leckerli-Tasche verfängt sich im Swisstrac-Griff und so wird Beate
aus dem Rollstuhl gezogen – sie weiß so schnell gar nicht, wie ihr geschieht!
Und ruckzuck sitzt sie vor, statt im Rollstuhl.
Gottseidank ist gerade eine Nachbarin dabei und holt direkt Hilfe. Am Ende stehen 3 Frauen und ein Mann um den Rollstuhl herum und sie schafften es schnell, Beate wieder in den Rolli zu bugsieren. Auch die 15 Kinder, die das Ganze beobachten, haben abends sicher viel zuhause zu erzählen!
Nicht, dass das schon das Ende der samstäglichen Odyssee
gewesen wäre! Nach unseren Abenteuern machen Beate und ich erst einmal ein
ausgiebiges Schläfchen. Um 22.00 Uhr muss ich ja noch mal raus zum Versäubern (stacca).
Es regnet in Strömen. Aber was muss, das muss!
Also tigern wir los in Richtung Hundewiese. Vorher muss
Frauchen sich natürlich noch gegen den Regen präparieren: Hut, Jacke,
Regendecke, Handschuhe und für die nächtlichen Spaziergänge sind außerdem das
Leuchthalsband und eine Rolli-Lampe vonnöten.
So gerüstet geht es los. Schon
auf dem Weg dorthin hören wir lautstarke Streitereien zweier Männer, die wohl
dem Alkohol zu stark zugesprochen haben (Kloppe zwischen Besoffenen). Beate und
ich halten uns abseits davon und machen uns nach erfolgreichem Stacca schnell
wieder in Richtung Zuhause (casa) – das ist der Albtraum meiner
Dosenöffnerin: strömender Regen und Besoffene in der Dunkelheit! Gut, dass wir
das jetzt schon mal durch haben!